Donnerstag, 8. April 2010

Fidschi: vaka malua in einer (un)bekannten Welt

Die letzten Stunden unseres lang ersehnten Südseetraums in Fidschi sind nun angebrochen, doch erst jetzt haben wir erst richtig die Gelegenheit, hiervon auch zu berichten. Nicht, dass es uns an Zeit gefehlt hätte; allein sind die uns oft als selbstverständlich anmutenden Annehmlichkeiten wie Internet oder auch bloß Strom hier nicht allgegenwärtig. Daher melden wir uns, wie beim letzten Mal, einmal mehr vom Flughafen in Nadi. Das bringt immerhin auch etwas Rundes, Wohlgeordnetes in unsere Berichterstattung.
Das ist übrigens ziemlich unfidschianisch, denn hier werden die Dinge gerne genommen wie sie kommen - wenn überhaupt. Dazu ein kleines Beispiel hier vom Flughafen, von kurz vor unserem Abflug nach Kadavu. In Fidschi wurde die Nacht zuvor von Sommer- auf Winterzeit umgestellt, ergo eine Stunde zurück. Das schien aber bei weitem nicht jeder mitbekommen zu haben, inklusive der elektronischen Anzeigetafeln am Flughafen - immerhin das Drehkreuz im Südpazifik. Die Uhren taten also was sie wollten, und niemand störte sich daran. Warum auch, denn unser auf 12:40 Uhr terminierte Inlandsflug sollte nach Angaben verschiedener Offizieller am Check-in je nach dem "at eleven", "in time" oder "yes, 12:40, but be prepared to leave at twelve" abfliegen. Und nie wusste man, ob die ehemalige oder die gerade umgestellte Zeit gemeint war. Nun ja, abgeflogen sind wir dann ganz mach "Fiji Time" um 13 Uhr.
Diese kleine Anekdote aus einem großen Ganzen von ganz und gar stressfreier Lebenseinstellung lässt sich auf fidschianisch am besten mit "vaka malua" - "ganz langsam" - ausdrücken. Und ebenso war auch unser Leben auf unserer kleinen Gastinsel Galoa. Herrlich entspannend! Dagegen kam uns Suva, die Hauptstadt, die wir vorgestern und gestern besuchten, surreal groß und geschäftig vor. Zu Hause würden wir über einen Ort, der eher einer Kleinstadt ähnelt (obwohl er das größte Ballungsgebiet zwischen Neuseeland und dem amerikanischen Kontinent ist) kaum ein Wort verlieren. Hier erzeugt Suva aber einen krassen Kontrast.
Zurück nach Galoa, dem wahren Fidschi voller Ursprünglichkeit und Herzlichkeit: Elf Tage verbrachten wir auf diesem schönen Fleckchen Erde weitab von jeder sogenannten Zivilisation bei den Familien von meinen Freunden Bai und seinem Sohn Walter. Hier nun divergieren die Eindrücke von Nina und mir zum ersten Mal richtig deutlich. Denn während ich inzwischen das vierte Mal auf Galoa war und es gewissermaßen mein zweites zu Hause abseits von zu Hause ist, betrat Nina absolutes Neuland. Das gelebte vaka malua wirklich zu spüren war für sie so aufregend neu wie für mich das Normalste der Welt. Dabei ist es auch für mich immer wieder faszinierend, wie sehr man doch in den Tag hineinleben kann und am Ende doch das Gefühl hat, sich erholen zu müssen. Eine europäische Perspektive sollte hierbei lieber gmieden werden, um nicht zu verzweifeln. Wir verzweifelten auch nicht, sondern genossen stattdessen das Leben so wie es auch die Fidschianer taten. Egal ob Fischen, Schnorcheln oder einfach nur Leute treffen, Hauptsache immer schön vaka malua und vortrefflich gut gelaunt.
Abends wartet schließlich zur Belohnung für den anstrengenden Tag die wohlverdiente Schüssel Kava, das Nationalgetränk auf allen Inseln. Allen, denen es von mir noch nicht bekannt gemacht wurde, sei kurz klargestellt: Kava ist kein Alkohol, sondern eine lokale Pfefferwurzel, die getrocknet und dann zerstampft in Wasser aufgeschwemmt wird, um schließlich in gesellig-zeremonieller Runde getrunken zu werden. Über den Geschmack lässt sich streiten, doch entspannt es ungemein und berauscht bei starkem Konsum sogar ein wenig. (Das ist allerdings gleichermaßen harmlos wie auch legal.) Kurz: mit Kava wird alles noch etwas mehr vaka malua...
Das alles muss man sicher selbst erlebt haben, um es wirklich in den sich darstellenden Dimensionen erfassen zu können. Häufig konnte ich allein schon an Ninas Augen erkennen, wie faszinierend dies alles für sie war. Man kann sich aber zugleich, wie ich, recht schnell daran gewöhnen. Hoffentlich finde ich bis zu unserer Rückkehr nach Deutschland wieder zu einem Mindestmaß an den dort gefragten Tugenden zurück...
Neues gab es aber auch für mich zu entdecken. Denn erstmalig war ich nicht im fidschianischen Winter, sondern im Herbst auf der Insel. Das bedeutet, dass es neben den Alljahresdauerbrennern wie Banane und Papaya noch einige andere Früchte zu genießen gibt wie Orangen, Mandarinen und die unbeschreiblich leckeren Mangos. Auch Brotfrucht als Alternative zu Kartoffeln und anderem Wurzelgemüse macht sich wirklich gut. Wie mag es hier bloß erst im Sommer aussehen?
Das kaum zu übertreffende Obst war aber noch nicht alles an neuen Erfahrungen, denn waren just über die Osterfeiertage auf Galoa. Im Vorfeld waren wir extrem gespannt, wie ein solches Fest in einem so christlichen Land wie Fidschi begangen wird. Die Antwort - und ich bin mir nicht sicher, ob ich darüber überrascht sein sollte - lautet: vaka malua. Sonntags waren wir zwar in der Kirche, aber das gehört eh zu jedem fidschianischen Sonntag. Karfreitag geschah dagegen nicht viel, insgesamt freute man sich nur über ein paar freie Tage. (Die Frage "Wovon?" sollte man lieber für sich behalten.) Eine ungewollte, dafür aber für uns umso witzigere Anekdote bot die zweistündige Ostermesse immehin doch: Unter den stimmgewaltigen Kirchenliedern erklang plötzlich auch ein vollmundiges "sa tucake" ("er ist auferstanden") - auf die Melodie der deutschen Nationalhymne. Außer uns Deutschen war dies aber niemandem bewusst, aber wir hatten unseren Spaß und konnten diese uns bislang unbekannten Strophen des Deutschlandliedes schnell mitsingen. Fast entging uns vor lauter Vergnügen, dass das nächste Lied auf die Melodie eines uns bekannten Weihnachtsliedes gesungen wurde. Hier ist halt alles irgendwie etwas anders.
Es ist wrklich schade, dass wir diese wunderbare Welt nun wieder verlassen müssen. Wir werden unsere Freunde vermissen. Weniger vermissen werden wir dagegen die penetranten Moskitos, die deutlich zahlreicher sind als im Winter. Nina wurde von ihnen besonders gemocht. Ich frage mich wirklich, wie diese niederen Kreaturen einen solch feinsinnigen Geschmack zu entwickeln vermögen. Wir wünschen ihnen jedenfalls als einzigen Teil von Fidschi nichts Gutes und hoffen, bald weniger geplagt zu werden. Vielleicht sieht es (nicht nur?) diesbezüglich in Samoa etwas anders aus. Unser Flug startet gleich (jedenfalls früher oder später, vaka malua), wir werden sehen und berichten. Bis dahin: Moce, sota tale!

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