Montag, 26. April 2010

Costa Rica: Pura Vida in vertrauter Umgebung

Für uns ist es gerade unvorstellbar, dass heute schon unsere erste Woche in Costa Rica abläuft. Die Ankunft am letzten Montag in den frühen Morgenstunden war zwar angesichts unseres durch den unruhigen Flug verschärften latenten Schlafdefizits hart, doch vermittelte uns die schon um fünf Uhr morgens hell strahlende Sonne zumindest ansatzweise das Gefühl, die Nacht hinter uns gelassen zu haben. Euphorisiert von der ersehnten Rückkehr in die Tropen ließen wir uns dann auch nicht lange am Flughafen aufhalten, sondern fuhren schnell mit dem Bus in die Innenstadt von San José. Seitdem wohnen wir bei meinem Tico-Freund Marvin in Sabana Norte; für mich fühlt sich seitdem eigentlich alles ganz normal an. Pura Vida eben!
(An dieser Stelle muss ich vielleicht für die Nicht-Eingeweihten ein wenig erklären: Als ich im Herbst 2006 für zwei Monate Praktikant an der deutschen Botschaft in San José war, habe ich Costa Rica ausführlich kennen und lieben gelernt. Auch damals wohnte ich bei Marvin, einem costaricanischen Mitarbeiter der Botschaft, und hatte so besten Zugang zum täglichen Leben der Ticos. Als "Ticos" bezeichnen sich die Menschen hier selbst, und auch "costaricanisch" heißt einfach nur "tico". Diese lockere Ausdrucksform mag sicher ein Teil der hier allgegenwärtigen "Pura Vida" - dem puren Leben - sein, die als immer passende Gesprächsfloskel wie auch als Gefühl die Besondeheit des kleinen mittelamerikanischen Landes ausmacht.)
Bei Marvin angekommen, erwartete uns erst einmal ein traumhaftes Frühstück: lokaler Kaffee und eine Komposition frischen Obstsalats. Ja, es gab endlich wieder frisches Obst, saftig, süß und köstlich wie es uns schon vorher lieb und teuer geworden ist! (Und ich spreche hier nicht nur von den Exportschlagern Ananas und Banane, sondern von all dem, was wir in unseren bisherigen Blogs beschrieben haben - inklusive Sauersack, der hier Guanabana heißt!) Trotz dieser Geschmacksexplosion, des wohl weltbesten Kaffees und natürlich meiner riesigen Wiedersehnsfreude war es um uns schnell geschehen, als Marvin und seine momentanen Mitbewohner zur Arbeit gingen. Wir schliefen für Stunden; die Tage zuvor zollten nun doch ihren Tribut. Für viel mehr waren wir am Tag tatsächlich nicht zu gebrauchen, doch ließen wir den Abend immerhin mit Marvin und seinem Freund und Nachbarn Paolo in meinem Lieblingslokal, dem Café Mundo, ausklingen. Wer immer einmal nach San José kommt, sollte hier jedenfalls einmal einkehren! Hier gibt es nicht nur phantastische Tico-Kost (die Patacones - reibekuchenähnlich zubereitete Kochbananen - sind herrlich zum Feierabendbier) und einen Schokoladenkuchen auf Weltniveau, sondern auch das gemütliche Ambiente eines pfiffig ausgestalteten alten Kolonialhauses nebst illust-gemischtem Publikum. Eine echte Bereicherung für die ansonsten nicht gerade von Schönheit strotzende Stadt.
Der nächste Tag - der erste mit Aktivität im engeren Sinne - diente zur weiteren Akklimatisierung. Für Nina hieß das: San José kennen lernen. Für mich hieß das: In vertrauer Umgebung spazieren gehen. In jedem Fall kann man festhalten: Die Stadt erfüllt ihren Zweck; es wuselt an allen Ecken von Menschen, die kaufen, verkaufen oder Bus fahren möchten, der chaotische Verkehr ist das einzig Anarchische in diesem sonst geordneten Land (mit einer älteren durchgehenden Demokratie als der deutschen) und funktioniert trotzdem und trotz aller Architektursünden gibt es fast alle Annehmlichkeiten, die es auch in deutschen Großstädten zu finden gibt. Alles in allem: Es hat sich nichts, aber auch gar nichts verändert.
Sogar die abendlichen Aktivitäten versetzten mich teilweise in meine Praktikantenzeit zurück, denn einmal durften wir an einem Empfang der Botschaft teilnehmen, auf dem man die gesellschaftsübliche Gelegenheit zum gedanklichen Austausch hatte. Leider wurde vor vielen Gedanken inzwischen turnusgemäß fast das gesamte deutsche Personal der Botschaft ausgetauscht, sodass ich leider auf wenig bekannte Gesichter traf. Dafür konnten Nina und ich die aktuellen Referendare und Praltikanten - zugleich unsere Mitbewohner bei Marvin - etwas näher kennenlernen.
Das nähere Kennenlernen setzte sich in den nächsten Tagen in Bezug auf das Land fort. Unserer bisherigen Reiseprämisse - möglichst viel zu sehen - entsprchend, machten wir den Rest der Woche das Umland unsicher. (Klein-)Stadtleben in den Nachbarorten Heredia und Cartago (das nicht von den Römern zerstörte) wie auch vulkanische Aktivität im umliegenden Gebirge auf dem Berg Irazú faszinierten Nina und riefen in mir alte Erinnerungen hervor. Besonders der Vulkan Irazú mit seinen fast 3.500 Metern Höhe hatte es uns angetan, denn man hatte nicht nur einen wunderbaren Ausblick auf die dicht besiedelte Hochebene (dort liegt auch San José auf gut 1.000 Metern Höhe), sondern es ließ sich auch der benachbarte Vulkan Turrialba bestaunen, der gemülich vor sich her qualmte. Zum Glück ist man hier schon länger von Eskapaden wie dem momentan Europa in Schach haltenden isländischen Vulkan verschont geblieben, obwohl Costa Rica insgesamt von einer durchaus aktiven Vulkankette durchzogen ist. Wir drücken die Daumen, dass es auch so bleibt.
Darüber hinaus genossen wir neben der vulkanischen auch einen Teil der ökologischen Aktivität dieses unglaublich vielseitigen Landes. (90 Prozent des Territoriums sind geschützt, um die unzähligen Tier- und Pflanzenarten in den zahlreichen Mikrokosmen und Klimazonen zu erhalten.) Brüllaffen, Kaimane, Faultiere, Pfeilgiftfrösche und Schwärme des Nationalvogels Tucan sind nur einige der vielen Tiere, die wir bislang zu Gesicht bekamen - von den allgegenwärtigen Schmetterlingen ganz zu schweigen. Die Artenvielvalt setzt sich auch in der Flora fort, Regen- und Nebelwälder dominieren die Landschaften. Durch einen Teil des Regenwaldes fuhren wir sogar mit einer Seilbahn, um die Altivitäten auch in den Baumkronen besichtigen zu können. Dieses äußerst komplexe System aus den unterschiedlichsten Tier- und Pflanzensymbiosen, die zum individuellen Überleben unerlässlich sind, angemessen zu beschreiben bin ich leider außer Stande. Wir können aber versichern, dass unsere Faszination dafür noch lange nicht ausgeschöpft ist.
Nach all diesen - einmal mehr - intensiven Erlebnissen ließen wir es dieses Wochenende lieber einmal etwas ruhiger angehen. Am Samstag ließen wir uns durch die farbenfrohe Vielfalt eines lokalen Bauernmarktes treiben, auf dem wir natürlich - wie schon so häufig - Unmengen an frischem Obst und Gemüse kauften. (Davon übefressen wir uns hier regelmäßig, ohne dass wir je davon genug bekommen könnten.) Abends kochten wir zusammen mit Marvin typisch tico, das heißt vor allem Hähnchen mit zahlreichen Beilagen, einschließlich selbstgemachter Tortillas, Guacamole und Bohnenmus. Ein Fest für die Sinne, aber eine Härteprobe für den überfüllten Magen! Den heutigen Tag schließlich verbrachten wir bei Marvins Großfamilie auf dem Land inmitten riesiger Kaffeefelder. Sogar eine Kaffeeplantage konnten wir besuchen, um dort die vielen Produktionsschritte bishin zu dem uns bekannten braunen Pulver kennenzulernen. Das war besonders deshalb interessant, weil uns beiden hier der Kaffee um ein Vielfaches besser schmeckt als zu Hause und wir daher mehr über seine Herkunft wissen wollten. Hier herrschen einfach perfekte Bedingungen.
Perfekte Bedingungen bietet uns auch unser Domizil bei Marvin, wie man sicher herauslesen kann. Die nächste Woche wird daher sicher nicht weniger spannend und angenehm, wir haben noch einiges geplant. Davon berichten wir dann ein anderes Mal. Bis dahin!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen