Freitag, 14. Mai 2010

Finale in Florida

Das waren nun (fast) unsere (fast) neunzig Tage um die Welt. Wir sitzen im Flugzeug von Orlando nach London und werden diesen Eintrag vielleicht auf unserem Zwischenstop nach Köln, vielleicht aber auch erst zu Hause veröffentlicht haben. Jedenfalls soll dies unsere letzte Meldung von unserer in allen Belangen bemerkenswerten Weltreise sein. Wir sind - trotz aller Vorfreude auf ein Wiedesehen mit Familie und Freunden - ausgesprochen traurig darüber, dass nun alles vorbei sein soll. Es war einfach zu phantastisch!
Zum "Glück" tröstet uns über unsere Betrübtheit ein wenig die Erinnerung hinweg, dass Florida sicher nicht das allerschönste unserer Ziele war. Es tat sehr wohl noch einmal richtig gut, eine Menge Sonne zu tanken (von der wir hoffentlich eine ordentliche Portion mit nach Köln bringen werden), doch konnten wir uns nicht so recht an die klischeehaft aufgesetzte Art der oft als Realkarikatur daherkommenden Einheimischen gewöhnen. (Parodien auf US-typisches Leben nach Manier der "Simpsons" verstehen wir jetzt noch besser!) Nun können wir zudem vergleichen und wissen für uns: Kalifornien (jenseits von Disneyland ;-)) war uns viel angenehmer als Florida!
Wir wussten aber dennoch die Reize des "Sunshine State" zu genießen, seien es die tollen weißen Sandstrände von Fort Lauderdale und Miami Beach, das ökologische Unikum der Everglades oder die faszinierenden, zu Wirklichkeit gewordenen Visionen der Raumfahrt in Cape Canaveral. Nichts von all diesen einzigartigen Erlebnissen wollen wir missen! Das floridianische Finale unserer Weltumrundung war dem ganzen Unternehmen würdig.
Und dennoch vermissen wir irgendwie die zur Routine gewordene schlaflose Umtriebigkeit, das zügellose Entdeckertum, die Reizüberflutungen, die unsere zigfachen Erlebnisse so sehr prägten. Hinzu kommen die "kleinen" Dinge wie die oft erwähnten frischen Papayas zum Frühstück... Dies alles zu verarbeiten wird noch einige Zeit dauern und beginnt wohl erst dann, wenn wir unser latentes Schlafdefizit einmal ausgeglichen haben sollten. Danach aber freuen wir uns schon darauf, mündlich und persönlich zu berichten. Bis dahin: Danke fürs oft Geduld raubende Lesen unserer bescheidenen Reisedokumentation!

Sonntag, 9. Mai 2010

Panamá-Stadt - Metropole, Ruine und etwas dazwischen

Unsere zwei Tage und eine Nacht in Panamá-Stadt waren nicht nur der erwartete Kontrast zum entspannten Postkartenidyll von Bocas del Toro, sondern zehrten auch nachhaltig an unserer fleißig in der Karibik aufgetankten Kraft. Die Nachtbusfahrt quer durchs Land in die einzige Metropole zwischen Mexiko und Kolumbien rüttelte uns ziemlich durch, sodass wir um fünf Uhr morgens zwar wach, aber nicht ausgeschlafen die Stadt betraten. Dennoch hieß es für uns nur "carpe diem", denn die Zeit hier war besonders knapp, also erst recht kostbar.
Und ganz gegen den beschämenden Trend im Verhältnis des Euro zu jeder unserer Reisewährung tauschten wir die Zeit zu einem ziemlich guten Kurs ein. Vormittags erkundeten wir die Umgebung unseres Hostels, nämlich die Altstadt auf der Halbinsel südlich der Bucht von Panamá. Casco Viejo, so der Name dieses malerischen Fleckchens Kolonialgeschichte, ist voll mit alten spanischen Gebäuden, vor allem Kirchen, Plätzen und Palästen. Manche sind ganz im Sinne ihres Status als Unesco-Weltkulturerbes bestens restauriert, andere wiederum sind bessere Ruinen hinter einer Fassade. Dem Charme des Viertels tut dies keinen Abbruch, es wirkt sogar recht ehrlich und authentisch.
Ganz im Gegensatz dazu steht die Aussicht, welche die Altstadt zu bieten hat: Blickt man nach Norden, glaubt man New York City zu sehen. Das moderne Panamá-Stadt ist eine glitzernde Hochhauswelt aus Banken, Wohnpalästen und Shopping-Malls. Also ziemlich das letzte, was man in Mittelamerika erwartet, wenn man das Umland und auch die anderen Staaten der Region gesehen hat. Blickt man in die andere Richtung, zeigt sich der pazifische Ozean gesäumt mit Schiffen. Eben diese stehen Schlange vor der Einfahrt in den Panamá-Kanal, den Hauptgrund für den sichtbaren Reichtum eines Großteils der Stadt. Es herrscht einfach überall Betrieb, wir sahen eine pulsierende Metropole.
Den Puls des Pulsierens nahmen wir noch am selben Nachmittag näher in Augenschein. Der Kanal, die Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik, ist nicht nur eine logistische wie architektonische Meisterleistung, sondern vielleicht auch ein modernes Weltwunder. Wir sahen zwar nur die Schleusen von Miraflores, einer von dreien solcher Anlagen, doch reichte dies vollkommen, um uns restlos zu beeindrucken. Wenn Schiffe der Panamax-Klasse (größere passen bis zur Beendigung des Ausbaus zu einem noch gigantischeren Wasserweg noch nicht hindurch) die Schleusen passieren, passt buchstäblich nichts mehr zwischen Kanalwand und Schiffsrumpf. Die dort geleistete Präzisionsarbeit mit den Ozeanriesen raubt einem einfach den Atem!
Entsprechend platt waren wir auch am Ende des ereignisreichen Tages, doch der nächste sollte bald folgen. Nach der Kolonialgeschichte und der Moderne war nun Zeit für Entdeckergeschichte. Panamá-Stadt lag nämlich ursprünglich ein wenig weiter westlich am Ozean, bis es nach einem Piratenüberfall niedergebrannt und dann in Casco Viejo neu aufgebaut wurde. Die Überbleibsel aber sind heute noch als Ruinen in einer Art Freilichtmuseum, das in den Großraum der Stadt integriert wurde, zu bestaunen. Über präkulumbische Kultur und spanisches Entdeckertum sind wir nun also auch bestens aufgeklärt. Zur Verarbeitung der ganzen Kost gönnten wir uns den Nachmittag in der Moderne, nämlich im Einkaufs-, Banken- und Vergnügungsdistrikt Bella Vista. Nicht nur der wirklich schöne Blick auf Casco Viejo, sondern auch die klimatisierten Glaspaläste hatten in der feuchten Hitze (ca. 35 Grad!) einen nicht zu unterschätzenden Wert für uns.
Nun ist der Abend angebrochen. Geschlafen haben wir wenig, gesehen und erlebt dafür viel. Im Hostel warten wir jetzt auf den Transfer zum Flughafen, denn statt eines durchaus verdienten Bettes wartet ein Nachtflug nach Florida auf uns. Von Mittelamerika müssen wir uns also bald verabschieden. Panamá-Stadt war sicher unser kontrastreichster Ort auf diesem Reiseabshnitt, es kann einfach nicht in einem Wort charakterisiert werden. Ein Gesamtfazit können wir aber dennoch in einem Satz ziehen: dem Janosch-Zitat.

Freitag, 7. Mai 2010

Grenzwärtig II: Un sueño caribeño oder Oh wie schön ist Panamá

Nach den zuletzt beklagten Grenzerfahrungen wussten wir unsere letzten Tage in Costa Rica vor der nächsten vermeintlichen Ausreise-Einreise-Tortur erst recht zu genießen. Die herzliche Atmosphäre bei Marvin in San José können wir gar nicht oft genug loben. Deren Verlust sollte durch einen ruhigen, ganz und gar urlaubshaften Aufenthalt am Karibikstrand abgemildert werden, bevor Panamá unser nächstes Zielland sein sollte.
Cahuita, ein kleines, verschlafenes Dorf an der südlichen costaricanischen Karibikküste erfüllte unsere Hoffnungen voll. Tolles Wetter, eine ruhige, blockhüttenartige Unterkunft in der Nähe der Playa Negra (dem wirklich schwarzen Sandstrand) und ein phantastisches kreolisches Menü machten uns das Seelebaumelnlassen recht einfach. Die allgegenwärtige Reggaemusik tat ihr Übriges, um tags darauf mit voll ausgetattetem Nervenkostüm grenzwärts zu reisen.
Sixaola, der karibische Grenzübergang zu Panamá war nur eine anderthalbstündige Busfahrt durch dichten Dschungel, kleine Dörfer und horizontfüllenden Bananenplantagen entfernt. Was für ein Kontrast! Wir waren nicht schlecht überrascht, dass die karibische Gelassenheit offenbar auch hier regiert. Keine Händler! Keine Geldwechsler! Ausreisestempel nach zwei Minuten! So kann es also auch gehen, das war alles Andere als grenzwertig. Das große Abenteuer wartete aber im Niemandsland: Zwischen Costa Rica und Panamá hat der liebe Gott nämlich noch die Schlucht des Sixaola-Flusses gesetzt. Die galt es zu überqueren. Das einzige zur Verfügung stehende Hilfsmittel dazu ist eine nicht unbedingt europäischen Standards genügende Stahlbrücke, deren Substanz sicher schon schönere Tage gesehen hatte. Irgndwann. Vielleicht. Der Fußweg selbst besteht aus einfachen Holzbrettern, teils zusammengenagelt, teils aber auch einfach lose auf der Brückenkonstruktion liegend. Links, rechts und unten hatte man dank dieser - ich nenne sie mal wohlwollend - Panoramablickkonstruktion stets beste Sicht auf den tiefen Fluss. Eine halbe Rheinbrückenlänge später setzten wir unsere Füße endlich auf festen - panamenischen! - Boden. Und auch hier gab es anstandslos in Rekordzeit den Einreisestempel. So macht Grenzen Überschreiten Spaß, und ein kleines Abenteuer war auch noch drin!
Angesichts dessen noch mehr von der Karibiklust gepackt konnten wir es kaum erwarten, nach Bocas del Toro zu gelangen. Die "Stiermünder" sind einige der (noch) wenig beachteten insularen Karibikperlen des ohnehin nicht so sehr touristischen Panamá. Blauer Himmel, kristallklares Wasser und kilometerlange, fast unbevölkerte Strände waren genau nach unserem Geschmack. Zum Glück fanden wir auch schnell ein kleines, idyllisches und voll ausgestattetes Häuschen mit Veranda und Hängematte. So lässt es sich aushalten! Zur Erkundung der Insel half uns das lokale Massentransportmittel, nämlich das Fahrrad. Als Zubehör zum Haus erwiesen uns die - zwar klapprigen - Drahtesel beste Dienste, um "unsere" Insel genauer zu erkunden und so die schönsten und unberührtesten Strände zu erfahren. (Ganz nebenbei tat uns die erste sportliche Aktivität seit einer gefühlten Ewigkeit sicher nicht schlecht.) Die Ruhe, die Gelassenheit der Karibik und die natürliche Schönheit von Bocas del Toro waren ein gelebter karibischer Traum - un sueño caribeño! So machte es uns auch nichts weiter aus, dass wir zuletzt auf einer entspannten Katamaranfahrt das eigentliche Ziel des Ausflugs - Delfine zu beobachten - glatt verfehlten. Das schwebengleiche Gleiten durch die ruhige karibische See vorbei an Korallenriffen und Mangroveninseln machte den Tag schon bemerkenswert genug.
Leider ist auch dieser Traum inzwischen wieder ausgeträumt. Nach diesem Ruhepol unserer Durchreise wird es wohl wieder etwas aufregender und größer. Die Panamá-Stadt wartet mit ihren ganz unterschiedlichen Reizen auf uns, und natürlich auch der weltberühmte Kanal. Wir würden uns freuen, wenn wir danach auch weiterhin frei nach Janosch sagen könnten: Oh, wie schön ist Panamá!

Sonntag, 2. Mai 2010

Kurztrip nach Nicaragua: Grenzwärtiges und Grenzwertiges

Wie beim letzten Mal angekündigt, waren wir auf dem Weg für einen dreitägigen Kurztrip nach Nicaragua, den nördlichen und oft grundverschiedenen Nachbarn Costa Ricas. Inzwischen sind wie wieder heil im gelobten und liebgewonnenen Land der "reichen Küste" zurückgekehrt und um einige Erfahrungen reicher.
Wir alle (den wohl weit überwiegenden Teil der geschätzen Lesershaft eingeschlossen) haben ja das Glück, Bürger der Europäischen Union zu sein und wissen daher oft gar nicht, was es heißen kann, eine Landgrenze zwischen zwei Staaten zu überqueren. Wir wissen es jetzt umso besser (und in meinem Fall wurden alte Erinnerungen von vor vier Jahren erneuert). Es ist kein Zuckerschlecken und schon gar kein Spaß. Es ist Nerven aufreibend, langwierig und chaotisch. Es untermauert unseren Stolz auf die zahlreichen Errungenschaften unseres trotz Griechenland-Krise ausgezeichnet funktionierenden Staatenverbundes! Von neun Stunden Reisezeit verbrachten wir fast drei mit bloßen Grenzvorgängen. Im Zeitraffer bedeutet das:
1. Anfahrt = Langsames einspuriges Vorbeimanövrieren des Busses im Gegenverkehr einige Kilometer vor der Grenze an parkenden LKW-Kollonnen entlang.
2. Ausreisen aus Costa Rica = Langes Schlange stehen im Freien bei feuchter Hitze unter ständiger Abwehr von allzu geschäftstüchtigen, fritierte Nichtköstlichkeiten verkaufenden Straßenhändlern und illegalen Geldwechslern, die jedem ihre Scheine herausfordernd mit lautem Rascheln um die Ohren wedeln. Irgendwann wird endlich der Pass abgestempelt.
3. Grenzüberquerung im eigentlichen Sinne = 500 Meter im Schneckentempo durch die stark gesicherten eingezäunten Grenzposten fahren.
4. Einreise nach Nicaragua = Ausreise aus Costa Rica mit umgekehrten Vorzeichen + noch mehr nervige und aufdringlichere mit wertlosem Krempel + Gepäckkontrolle + Zahlen einer Einreisegebühr von 8 US-Dollar.
Herzlich willkommen im "Vergnügungspark" Nicaragua! Die Geisterbahn mit ihren grenzwertigen Erfahrungen gibt es gratis dazu.
Irgendwann kamen wir tatsächlich in Granada, einer der ältesten Städte des Kontinents, an. Die unzähligen charmanten Kolonialgebäude sind inzwischen alle wieder nett hergerichtet, in allen Ecken und Enden harmonieren die farbenfrohen Anstriche perfekt mit Himmel und Sonne. Es ist einfach schön anzusehen und durch die Straßen zu laufen, wo die Leute in ihren schattigen Innenhöfen im Schaukelstuhl entspannen. Sie tun übrigens wirklich gut daran, denn es war gelinde gesagt bullenheiß in Granada. Zum Schwitzen reichte es, in der feuchten Luft einfach nur zu stehen. Man muss einfach alles sehr langsam angehen lassen, aber das sind wir ja zum Glück dank zahlreicher Reiseerfahrungen bestens gewöhnt...
Leider passt zu diesem vermeintlichen romantischen Idyll die Aufdringlichkeit vieler Nicaraguaner überhaupt nicht. Dass alles etwas wuseliger und weniger geordnet abläuft als in Costa Rica ist die eine, auch sympathische Sache. Die andere ist aber, dass man an kaum einem Ort einmal in Ruhe gelassen wird, um möglichst viele Hängematten, Zigaretten oder Taxifahrten lautstark anzupreisen. Der Genuss der tollen Kulisse Garanadas mit ihren wunderschönen Kirchen, Plätzen und liebevoll gekachelten Bürgersteigen hatte oft einen bitteren Beigeschmack. Die Grenzerfahrungen wurden so oft auch in der Stadt fortgeführt, und das hat das oft geschundene Land wirklich nicht verdient.
So reisten wir mit durchaus gemischten Erinnerungen wieder zurück gen Süden. Man darf eben nicht vergessen, dass Nicaragua eines der ärmsten Länder des gesamten amerikanischen Kontinents ist und Costa Rica dagegen eines der reichsten. Armut sieht man auch vom Bus aus häufiger, es ist meist schmutziger und leider auch heruntergekommen. Die offenbar tatenlose und doch allgegenwärtige Propaganda der regierenden Sozialisten, die häufig den Eindruck eines "Kuba light" erweckte, macht die Lage der Menschen nicht besser, obwohl uns mangels echter Erfahung profunde Kritik sicher nicht zusteht und wir sie auch gar nicht üben möchten. Es sind bloß Eindrücke, die uns aber oft grenzwertig erschienen.
Dennoch können wir nicht abstreiten, dass wir uns auf der grenzwärtigen Fahrt nach Costa Rica besser fühlten, weil wir wussten, dass uns ein angenehmerer Ort erwartet. Davor stand "nur" weiteres Grenzprozedere, dass sich noch länger als jenes auf der Hinfahrt ausdehnte. Noch einmal beschreiben brauchen wir es wohl nicht bis auf die Bemerkung, dass Nicaragua wohl doch kein Vergnügungspark sein kann, weil wir auch eine Ausreisegebühr zu entrichten hatten. Wofür und zu wessen Gunsten? Lassen wir dies mal unkommentiert.
Die Freude, zurück in der Heimat San José und bei unserem Freund Marvin zu sein, währte indes leider nur einen Tag. Dies ist unserem dichten Zeitplan geschuldet, denn unsere Reise ist ja meistens in Bewegung wie ein perpetuum mobile. Wir nutzten also die wenige Zeit und verbrachten sie ausgiebig mit Marvin und seinen Freunden. Der Abschied eben fiel uns entsprechend schwer, war doch der Aufenthalt in San José einer unserer herzlichsten. Wir werden auf jeden Fall irgendwann zurückkehren und am besten etwas länger bleiben. Wir wissen jetzt erst recht, was Pura Vida ist. Wir lieben Costa Rica!