Montag, 19. April 2010

The American Way in a Nutshell

Wie es sich in unserem letzten Blogeintrag schon andeutete, versprach unser verhältnismäßig kurzer Aufenthalt im Westen der USA besonders kontrastreich zur südpazifischen Beschaulichkeit zu werden. Jetzt, da wir zum Stopover am Flughafen von Denver auf unseren Anschlussflug nach Costa Rica warten, ist klar: Es wurde alles noch viel krasser als wir uns vorstellen konnten!
Schon die erste Orientierung in Los Angeles fiel uns alles Andere als leicht, weil die Stadt noch viel größer und weitläufiger ist als wir zu ahnen wagten. Erschien uns unser liebreizendes Hostel im alternativ-schrulligen Strandort Venice Beach in Deutschland noch als guter Ausgangspunkt für Expeditionen, mussten wir uns vor Ort einen eindeutigen Standortnachteil eingestehen, denn es liegt in der Autofahrerstadt L.A. alles viel weiter entfernt als in den uns bislang bekannten amerikanischen Metropolen. Vergleichbar ist der Ballungsraum viel mehr mit dem Ruhrgebiet, nur dass man hier von einer einzigen Stadt spricht. (Im Übrigen hat das Ruhrgebiet die eindeutig bessere Verkehrsinfrastruktur; die L.A.-Busse sind unzuverlässiger als KVB und Deutsche Bahn an ihren schlechtesten Tagen.)
Den unlängst erwähnten Nachteil münzten wir allerdings schnell per Perspektivwechsel in einen Erlebnisvorteil um, denn nun waren wir zum einen zu einem noch intensiveren Sightseeingprogramm gezwungen und zum anderen in der angenehmen Lage, zugleich die Strandlage von Venice und Santa Monica mit ihrem illustren Publikum und Baywatch-Kulisse zu erleben. Abgesehen von Downtown L.A. konnten wir dank nun ausgereifter Hop-on-Hop-off-Bus-Erfahrung tatsächlich die Highlights einer ansonsten oft uninspirierten Metropole aufsaugen. Besonders Hollywood und Beverly Hills, das Zentrum der Superreichen und manchmal auch Schönen, hatte durchaus seine Vorzüge. Der American Dream wurde hier an jeder Ecke neu verwirklicht, und kaum ein Amerikaner lässt einen Besucher über seinen Stolz auf diesen American Way im Unklaren. Wir nahmen indes auf unsere eigene Art daran Teil, vor allem in Form von Konsum örtlicher Spezialitäten wie Hamburger und Hotdogs. Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich die frischen Papayas vermisse?
Um die ganze Junk-, Kitsch und Glamourerfahrung auf die Spitze zu treiben (und weil das Kind in uns stetig danach verlangte), besuchten wir, als wir endlich typisch amerikanisch (dank umgebuchtem Upgrade) ein übergroßes Auto zur Verfügung hatten, den bis dahin unerklommenen Gipfel der Künstlichket: Disneyland! Die zugegebenermaßen perfekte Inszenierung des allseits bekannten Disneyflairs ließ uns für einen Tag tatsächlich ganz aus der realen Welt entfliehen. Die Fahrgeschäfte können es zwar nicht mit jenen im Phantasialand aufnehmen, dafür konnte unser Erlebnis fast amerikanischer kaum sein. Bei genauerem Nachdenken erreichte die ganze überbunte und übermäßig ausgestaltete Darstellung oftmals die Schwelle vom Skurrilen zum Unerträglichen - besonders wenn man die pausenlose Beschallung mit Cartoonhintergrundmusik mit einbezieht. Für einen Tag war es mit einer gewissen Ironie im Hinterkopf aber die ganze Sache allemal wert, wir haben und prächtig amüsiert!
Der nächste Tag war dann zur Abwechslung als Roadtrip geplant. Wir wollten durch das bedrohliche Death Valley in Richtung Las Vegas fahren. Auf Grund eines überlangen Shopping-Zwischenstopps (auch sehr amerikanisch) und widrigen Verkehrsverhältnissen konnten wir unsere Route allerdings nicht einhalten und mussten einmal mehr improvisieren. Die Fahrt durch die Wüste Kaliforniens und Nevadas war ohnehin schon beeindruckend genug - soweit das Auge reicht nur braune Ödnis mit kargem Buschwerk und einzelnen Kakteen und mittendrin ein vielbefahrener sechsspuriger Highway. Daher machte es uns wenig aus, in einem Ort zu nächtigen, der auch eine prima Kulisse für einen mittelprächtigen B-Movie abgegeben hätte. Primm, Nevada, besteht nur aus Kasinos, Fastfoodläden einer heruntergekommenen Shoppingmall und vielleicht einmal durchschnittlich gewesenen Glücksspielhotels. Genau dieser Ort schien uns geeignet, das andere, vollkommen unglamouröse Amerika kennenzulernen. Und das ist uns wahrlich gelungen, obwohl das Hotel mit dem klangvollenen Namen "Whiskey Pete's" trotz des Geklimpers hunderter einarmiger Banditen besser ausgestattet war als sein leicht schäbiges, von surrender, halb funktionierender Neonreklame dominiertes Äußeres vermuten ließ. Ein paar Bier von der Tankstelle und - natürlich - Junkfood bereiteten uns eine durchaus angenehme Nacht.
Dieser belanglose Abklatsch von Las Vegas bereitete uns indes schon auf den nächsten Tag in der wohl größten Spielermetropole der Welt vor. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten komprimiert sich wahrscheinlich an keinem anderen Ort derart schrill und elektrisierend wie in Las Vegas! Die Reizüberflutung, der wir zu keinem Zeitpunkt entkommen konnten, war schier unbeschreiblich. Obwohl wir uns "nur" auf dem sog. "Strip" -d.h. Las Begas Boulevard - aufhielten, verging keine Minute mit einer anderen Kuriosität, einem skurrilen Moment, einem unwirklichen Erlebnis. Die absurd-intensiv illuminierte, in allen Formen und Farben inszenierte Kulisse verschlug uns die Sprache. Der Eiffelturm steht gegenüber von New York, einen Block weiter befindet sich Ägypten, nur getrennt von einem vieltürmigen Märchenschloss. Noch Fragen? Das alles (und dieser Auszug ist nur ein kleiner Teil des Strips) verbiegt riesige Hotelkomplexe mit noch gigantischeren Kasinos und Showrooms. Die Entertainment-Dichte ist vielleicht an keinem Ort der Welt so groß wie in der ständig überbelebten Wüstenstadt. Das ist in der Tat Disneyland für Erwachsene; manchmal fühlten wir uns wirklich überraschend ähnlich entgeistert angesichts des grotesk-überproportionierten Ganzen. Gleichzeitig nahmen wir diese gigantische Vergnügungswelt aber gerne an; hier ein Spielchen am einarmigen Banditen, da ein Ein-Dollar-Drink (allseits vorhanden, um die Zocker noch gefügiger zu machen) und immer die Augen auf für eine weitere Kuriosität. Das nächste volltrunkene frischvermählte Hochzeitspaar kann plötzlich um die Ecke biegen... Mit der nötigen Besonnenheit hat man hier auch nachhaltig Spaß. Wir haben weder geheiratet, noch ein Vermögen verspielt, dafür hatten wir den ultimativen Thrill auf der mörderischsten Achterbahn, die wir bislang zu besteigen gewagt hatten. In "New York" jagte man uns durch Loopings und Abgründe durch die bunte glitzernde Nacht der Stadt, das war der Kick des Abends! Wahnsinn! Als netten Nebeneffekt hatten wir uns den Fahrpreis zuvor unten dem waghalsigen Einsatz von zwei Dollar an der Slot Machine erspielt - that's Vegas!
Bei so viel Aufregung entging uns gänzlich, dass wir uns bis weit nach Mitternacht auf dem Strip aufhielten, die Zeit verging wie im Fluge. Geplante Besuche von Shows und einem netten Dinner erfüllten sich daher nicht, aber was soll's. Der Fun Factor war immens und amerikanischer konnten wir unseren Trip wohl kaum ausgestalten. Jetzt ist es aber auch mal wieder genug. Ab Morgen warten in Costa Rica wieder frische Früchte und Natur auf uns. Auch das ist eine gute Nachricht. Wir freuen uns!

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