Mittwoch, 28. April 2010

Feuerwerk am Arenal

Heute gibt es zur leserfreundlichen Abwechslung mal ein kleineres Update aus Costa Rica. Da nicht allzu viel Zeit seit unserem letzten Eintrag vergangen ist und wir zugleich gerade etwas Zeit haben, sind wir froh, endlich mal ein (hoffentlich) besser verdauliches Erzählhäppchen anbieten zu können. Wir fahren gerade auf der Pamericana im "Ticabus" - einer mittelamerikanischen Buslinie, die zwischen Südmexiko und Panama verkehrt - und sind auf dem Weg nach Granada in Nicaragua. Mehr von diesem Ausflug in die grundlegnd verschiedene Nachbarschaft Costa Ricas folgt in Zukunft. Die Gegenwart ist nun ein Rückblick auf die letzten Tage. Alles klar so weit? :-)
Gestern Abend kehrten wir restlos begeistert aus einem Städtchen mit dem viel versprechenden Namen La Fortuna in unser zu Hause nach San José zurück. Zwar war es nicht die unspektskuläre Siedlung, die uns hat Feuer und Flamme werden lassen, dafür aber die Umgebung, deren Anblick uns ganz im Sinne des Stadtnamenversprechens Glück gebracht hat. La Fortuna liegt nämlich am Fuße des perfekt kegelförmig emporragenden Vulkans Arenal, der schon als solcher eine traumhafte Kulisse im Licht und Wolkenspiel des fast minütlich wechselnden Wetters abgibt. Das Schönste an Allem ist aber, dass der Arenal einer der aktivsten Vulkane weltweit ist und seit seinem Ausbruch im Jahr 1968 beständig vor sich hin spuckt. (Jener verheerende Ausbruch freilich, der einigen hundert Menschen das Leben kostete, soll hier keinesfalls glorifiziert werden. Einmal mehr beweist auch der Arenal, dass die Natur uns beherrscht und nicht umgekehrt.)
Umgeben ist der Arenal von einem Nationalpark mit unzähligen Tier- und Pflanzenarten im tropischen Regenwald; es gibt sogar wilde Truthähne, die trotz ihrer stattlichen Körpermassen in den höchsten Baumkronen balancieren. Wir balancierten auch, allerdings nicht in, sondern unter den Bäumen auf einem glitschigen Pfad zu einem Wasserfall, der nicht nur eine willkommene Erfrischung im heißen tropischen Klima, sondern auch Gelegenheit zu einem natürlichen Gesichtspeelig mit Vulkantonerde bot. Zur Komplettierung der natürlichen Spa-Möglichkeiten nahmen wir später am Abend noch ein Bad im badewannenwarmen (weil natürlich vom Vulkan aufgeheizten) Wasser des Flusses Tabacón. Es durfte mal wieder geschwitzt werden.
Sämtliche, schon für sich genommen spaßige Aktivitäten wurden zudem ganz ohne disneylandartige Tontechnik von einem gelegentlichen Donnergrollen untermalt, das nicht gerade als typischer Teil eines Wellnesserlebnisses hinzugedacht werden kann. Es war der Arenal, der auf sich aufmerksam machte, als wir uns kurz von ihm abwandten. Seiner vielleicht verletzten Eitelkeit verschaffte es Luft, indem er Felsbrocken aus seinem Krater feuerte, die mit 120 km/h seinen schönen Kegel herunterrasten. Gut, dass wir in sicherer Entfernung standen!
Noch spektakulärer zeigte sich unser übermächtiger Freund schließlich in der Abenddämmerung. Das Licht zog sich nun nämlich so weit zurück, dass man erkennen konnte, dass die ausgespuckten Felsbrocken die dicksten und fettesten Teile eines rot glühenden Lavastroms waren. Ja, wir haben in der Tat einem (wenn auch gemäßigt) ausbrechenden Vulkan zugeschaut! Es war wie ein nicht enden wollendes Feuerwerk, so wunderbar anzuschauen und vereinnahmend! Man mag sich allerdings nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn der Arenal einmal wieder ernsthaft gefährlich werden sollte. Den wunderbaren Menschen hier sei gewünscht, dass dies niemals geschehe. So aber hatten wir ein unvergessliches Vulkanerlebnis der angenehmen Art (anders als die Menschen in Europa vor ein paar Wochen); wir können eine Reise in das Glück bringende La Fortuna nur glühend empfehlen!

Montag, 26. April 2010

Costa Rica: Pura Vida in vertrauter Umgebung

Für uns ist es gerade unvorstellbar, dass heute schon unsere erste Woche in Costa Rica abläuft. Die Ankunft am letzten Montag in den frühen Morgenstunden war zwar angesichts unseres durch den unruhigen Flug verschärften latenten Schlafdefizits hart, doch vermittelte uns die schon um fünf Uhr morgens hell strahlende Sonne zumindest ansatzweise das Gefühl, die Nacht hinter uns gelassen zu haben. Euphorisiert von der ersehnten Rückkehr in die Tropen ließen wir uns dann auch nicht lange am Flughafen aufhalten, sondern fuhren schnell mit dem Bus in die Innenstadt von San José. Seitdem wohnen wir bei meinem Tico-Freund Marvin in Sabana Norte; für mich fühlt sich seitdem eigentlich alles ganz normal an. Pura Vida eben!
(An dieser Stelle muss ich vielleicht für die Nicht-Eingeweihten ein wenig erklären: Als ich im Herbst 2006 für zwei Monate Praktikant an der deutschen Botschaft in San José war, habe ich Costa Rica ausführlich kennen und lieben gelernt. Auch damals wohnte ich bei Marvin, einem costaricanischen Mitarbeiter der Botschaft, und hatte so besten Zugang zum täglichen Leben der Ticos. Als "Ticos" bezeichnen sich die Menschen hier selbst, und auch "costaricanisch" heißt einfach nur "tico". Diese lockere Ausdrucksform mag sicher ein Teil der hier allgegenwärtigen "Pura Vida" - dem puren Leben - sein, die als immer passende Gesprächsfloskel wie auch als Gefühl die Besondeheit des kleinen mittelamerikanischen Landes ausmacht.)
Bei Marvin angekommen, erwartete uns erst einmal ein traumhaftes Frühstück: lokaler Kaffee und eine Komposition frischen Obstsalats. Ja, es gab endlich wieder frisches Obst, saftig, süß und köstlich wie es uns schon vorher lieb und teuer geworden ist! (Und ich spreche hier nicht nur von den Exportschlagern Ananas und Banane, sondern von all dem, was wir in unseren bisherigen Blogs beschrieben haben - inklusive Sauersack, der hier Guanabana heißt!) Trotz dieser Geschmacksexplosion, des wohl weltbesten Kaffees und natürlich meiner riesigen Wiedersehnsfreude war es um uns schnell geschehen, als Marvin und seine momentanen Mitbewohner zur Arbeit gingen. Wir schliefen für Stunden; die Tage zuvor zollten nun doch ihren Tribut. Für viel mehr waren wir am Tag tatsächlich nicht zu gebrauchen, doch ließen wir den Abend immerhin mit Marvin und seinem Freund und Nachbarn Paolo in meinem Lieblingslokal, dem Café Mundo, ausklingen. Wer immer einmal nach San José kommt, sollte hier jedenfalls einmal einkehren! Hier gibt es nicht nur phantastische Tico-Kost (die Patacones - reibekuchenähnlich zubereitete Kochbananen - sind herrlich zum Feierabendbier) und einen Schokoladenkuchen auf Weltniveau, sondern auch das gemütliche Ambiente eines pfiffig ausgestalteten alten Kolonialhauses nebst illust-gemischtem Publikum. Eine echte Bereicherung für die ansonsten nicht gerade von Schönheit strotzende Stadt.
Der nächste Tag - der erste mit Aktivität im engeren Sinne - diente zur weiteren Akklimatisierung. Für Nina hieß das: San José kennen lernen. Für mich hieß das: In vertrauer Umgebung spazieren gehen. In jedem Fall kann man festhalten: Die Stadt erfüllt ihren Zweck; es wuselt an allen Ecken von Menschen, die kaufen, verkaufen oder Bus fahren möchten, der chaotische Verkehr ist das einzig Anarchische in diesem sonst geordneten Land (mit einer älteren durchgehenden Demokratie als der deutschen) und funktioniert trotzdem und trotz aller Architektursünden gibt es fast alle Annehmlichkeiten, die es auch in deutschen Großstädten zu finden gibt. Alles in allem: Es hat sich nichts, aber auch gar nichts verändert.
Sogar die abendlichen Aktivitäten versetzten mich teilweise in meine Praktikantenzeit zurück, denn einmal durften wir an einem Empfang der Botschaft teilnehmen, auf dem man die gesellschaftsübliche Gelegenheit zum gedanklichen Austausch hatte. Leider wurde vor vielen Gedanken inzwischen turnusgemäß fast das gesamte deutsche Personal der Botschaft ausgetauscht, sodass ich leider auf wenig bekannte Gesichter traf. Dafür konnten Nina und ich die aktuellen Referendare und Praltikanten - zugleich unsere Mitbewohner bei Marvin - etwas näher kennenlernen.
Das nähere Kennenlernen setzte sich in den nächsten Tagen in Bezug auf das Land fort. Unserer bisherigen Reiseprämisse - möglichst viel zu sehen - entsprchend, machten wir den Rest der Woche das Umland unsicher. (Klein-)Stadtleben in den Nachbarorten Heredia und Cartago (das nicht von den Römern zerstörte) wie auch vulkanische Aktivität im umliegenden Gebirge auf dem Berg Irazú faszinierten Nina und riefen in mir alte Erinnerungen hervor. Besonders der Vulkan Irazú mit seinen fast 3.500 Metern Höhe hatte es uns angetan, denn man hatte nicht nur einen wunderbaren Ausblick auf die dicht besiedelte Hochebene (dort liegt auch San José auf gut 1.000 Metern Höhe), sondern es ließ sich auch der benachbarte Vulkan Turrialba bestaunen, der gemülich vor sich her qualmte. Zum Glück ist man hier schon länger von Eskapaden wie dem momentan Europa in Schach haltenden isländischen Vulkan verschont geblieben, obwohl Costa Rica insgesamt von einer durchaus aktiven Vulkankette durchzogen ist. Wir drücken die Daumen, dass es auch so bleibt.
Darüber hinaus genossen wir neben der vulkanischen auch einen Teil der ökologischen Aktivität dieses unglaublich vielseitigen Landes. (90 Prozent des Territoriums sind geschützt, um die unzähligen Tier- und Pflanzenarten in den zahlreichen Mikrokosmen und Klimazonen zu erhalten.) Brüllaffen, Kaimane, Faultiere, Pfeilgiftfrösche und Schwärme des Nationalvogels Tucan sind nur einige der vielen Tiere, die wir bislang zu Gesicht bekamen - von den allgegenwärtigen Schmetterlingen ganz zu schweigen. Die Artenvielvalt setzt sich auch in der Flora fort, Regen- und Nebelwälder dominieren die Landschaften. Durch einen Teil des Regenwaldes fuhren wir sogar mit einer Seilbahn, um die Altivitäten auch in den Baumkronen besichtigen zu können. Dieses äußerst komplexe System aus den unterschiedlichsten Tier- und Pflanzensymbiosen, die zum individuellen Überleben unerlässlich sind, angemessen zu beschreiben bin ich leider außer Stande. Wir können aber versichern, dass unsere Faszination dafür noch lange nicht ausgeschöpft ist.
Nach all diesen - einmal mehr - intensiven Erlebnissen ließen wir es dieses Wochenende lieber einmal etwas ruhiger angehen. Am Samstag ließen wir uns durch die farbenfrohe Vielfalt eines lokalen Bauernmarktes treiben, auf dem wir natürlich - wie schon so häufig - Unmengen an frischem Obst und Gemüse kauften. (Davon übefressen wir uns hier regelmäßig, ohne dass wir je davon genug bekommen könnten.) Abends kochten wir zusammen mit Marvin typisch tico, das heißt vor allem Hähnchen mit zahlreichen Beilagen, einschließlich selbstgemachter Tortillas, Guacamole und Bohnenmus. Ein Fest für die Sinne, aber eine Härteprobe für den überfüllten Magen! Den heutigen Tag schließlich verbrachten wir bei Marvins Großfamilie auf dem Land inmitten riesiger Kaffeefelder. Sogar eine Kaffeeplantage konnten wir besuchen, um dort die vielen Produktionsschritte bishin zu dem uns bekannten braunen Pulver kennenzulernen. Das war besonders deshalb interessant, weil uns beiden hier der Kaffee um ein Vielfaches besser schmeckt als zu Hause und wir daher mehr über seine Herkunft wissen wollten. Hier herrschen einfach perfekte Bedingungen.
Perfekte Bedingungen bietet uns auch unser Domizil bei Marvin, wie man sicher herauslesen kann. Die nächste Woche wird daher sicher nicht weniger spannend und angenehm, wir haben noch einiges geplant. Davon berichten wir dann ein anderes Mal. Bis dahin!

Montag, 19. April 2010

The American Way in a Nutshell

Wie es sich in unserem letzten Blogeintrag schon andeutete, versprach unser verhältnismäßig kurzer Aufenthalt im Westen der USA besonders kontrastreich zur südpazifischen Beschaulichkeit zu werden. Jetzt, da wir zum Stopover am Flughafen von Denver auf unseren Anschlussflug nach Costa Rica warten, ist klar: Es wurde alles noch viel krasser als wir uns vorstellen konnten!
Schon die erste Orientierung in Los Angeles fiel uns alles Andere als leicht, weil die Stadt noch viel größer und weitläufiger ist als wir zu ahnen wagten. Erschien uns unser liebreizendes Hostel im alternativ-schrulligen Strandort Venice Beach in Deutschland noch als guter Ausgangspunkt für Expeditionen, mussten wir uns vor Ort einen eindeutigen Standortnachteil eingestehen, denn es liegt in der Autofahrerstadt L.A. alles viel weiter entfernt als in den uns bislang bekannten amerikanischen Metropolen. Vergleichbar ist der Ballungsraum viel mehr mit dem Ruhrgebiet, nur dass man hier von einer einzigen Stadt spricht. (Im Übrigen hat das Ruhrgebiet die eindeutig bessere Verkehrsinfrastruktur; die L.A.-Busse sind unzuverlässiger als KVB und Deutsche Bahn an ihren schlechtesten Tagen.)
Den unlängst erwähnten Nachteil münzten wir allerdings schnell per Perspektivwechsel in einen Erlebnisvorteil um, denn nun waren wir zum einen zu einem noch intensiveren Sightseeingprogramm gezwungen und zum anderen in der angenehmen Lage, zugleich die Strandlage von Venice und Santa Monica mit ihrem illustren Publikum und Baywatch-Kulisse zu erleben. Abgesehen von Downtown L.A. konnten wir dank nun ausgereifter Hop-on-Hop-off-Bus-Erfahrung tatsächlich die Highlights einer ansonsten oft uninspirierten Metropole aufsaugen. Besonders Hollywood und Beverly Hills, das Zentrum der Superreichen und manchmal auch Schönen, hatte durchaus seine Vorzüge. Der American Dream wurde hier an jeder Ecke neu verwirklicht, und kaum ein Amerikaner lässt einen Besucher über seinen Stolz auf diesen American Way im Unklaren. Wir nahmen indes auf unsere eigene Art daran Teil, vor allem in Form von Konsum örtlicher Spezialitäten wie Hamburger und Hotdogs. Habe ich schon erwähnt, wie sehr ich die frischen Papayas vermisse?
Um die ganze Junk-, Kitsch und Glamourerfahrung auf die Spitze zu treiben (und weil das Kind in uns stetig danach verlangte), besuchten wir, als wir endlich typisch amerikanisch (dank umgebuchtem Upgrade) ein übergroßes Auto zur Verfügung hatten, den bis dahin unerklommenen Gipfel der Künstlichket: Disneyland! Die zugegebenermaßen perfekte Inszenierung des allseits bekannten Disneyflairs ließ uns für einen Tag tatsächlich ganz aus der realen Welt entfliehen. Die Fahrgeschäfte können es zwar nicht mit jenen im Phantasialand aufnehmen, dafür konnte unser Erlebnis fast amerikanischer kaum sein. Bei genauerem Nachdenken erreichte die ganze überbunte und übermäßig ausgestaltete Darstellung oftmals die Schwelle vom Skurrilen zum Unerträglichen - besonders wenn man die pausenlose Beschallung mit Cartoonhintergrundmusik mit einbezieht. Für einen Tag war es mit einer gewissen Ironie im Hinterkopf aber die ganze Sache allemal wert, wir haben und prächtig amüsiert!
Der nächste Tag war dann zur Abwechslung als Roadtrip geplant. Wir wollten durch das bedrohliche Death Valley in Richtung Las Vegas fahren. Auf Grund eines überlangen Shopping-Zwischenstopps (auch sehr amerikanisch) und widrigen Verkehrsverhältnissen konnten wir unsere Route allerdings nicht einhalten und mussten einmal mehr improvisieren. Die Fahrt durch die Wüste Kaliforniens und Nevadas war ohnehin schon beeindruckend genug - soweit das Auge reicht nur braune Ödnis mit kargem Buschwerk und einzelnen Kakteen und mittendrin ein vielbefahrener sechsspuriger Highway. Daher machte es uns wenig aus, in einem Ort zu nächtigen, der auch eine prima Kulisse für einen mittelprächtigen B-Movie abgegeben hätte. Primm, Nevada, besteht nur aus Kasinos, Fastfoodläden einer heruntergekommenen Shoppingmall und vielleicht einmal durchschnittlich gewesenen Glücksspielhotels. Genau dieser Ort schien uns geeignet, das andere, vollkommen unglamouröse Amerika kennenzulernen. Und das ist uns wahrlich gelungen, obwohl das Hotel mit dem klangvollenen Namen "Whiskey Pete's" trotz des Geklimpers hunderter einarmiger Banditen besser ausgestattet war als sein leicht schäbiges, von surrender, halb funktionierender Neonreklame dominiertes Äußeres vermuten ließ. Ein paar Bier von der Tankstelle und - natürlich - Junkfood bereiteten uns eine durchaus angenehme Nacht.
Dieser belanglose Abklatsch von Las Vegas bereitete uns indes schon auf den nächsten Tag in der wohl größten Spielermetropole der Welt vor. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten komprimiert sich wahrscheinlich an keinem anderen Ort derart schrill und elektrisierend wie in Las Vegas! Die Reizüberflutung, der wir zu keinem Zeitpunkt entkommen konnten, war schier unbeschreiblich. Obwohl wir uns "nur" auf dem sog. "Strip" -d.h. Las Begas Boulevard - aufhielten, verging keine Minute mit einer anderen Kuriosität, einem skurrilen Moment, einem unwirklichen Erlebnis. Die absurd-intensiv illuminierte, in allen Formen und Farben inszenierte Kulisse verschlug uns die Sprache. Der Eiffelturm steht gegenüber von New York, einen Block weiter befindet sich Ägypten, nur getrennt von einem vieltürmigen Märchenschloss. Noch Fragen? Das alles (und dieser Auszug ist nur ein kleiner Teil des Strips) verbiegt riesige Hotelkomplexe mit noch gigantischeren Kasinos und Showrooms. Die Entertainment-Dichte ist vielleicht an keinem Ort der Welt so groß wie in der ständig überbelebten Wüstenstadt. Das ist in der Tat Disneyland für Erwachsene; manchmal fühlten wir uns wirklich überraschend ähnlich entgeistert angesichts des grotesk-überproportionierten Ganzen. Gleichzeitig nahmen wir diese gigantische Vergnügungswelt aber gerne an; hier ein Spielchen am einarmigen Banditen, da ein Ein-Dollar-Drink (allseits vorhanden, um die Zocker noch gefügiger zu machen) und immer die Augen auf für eine weitere Kuriosität. Das nächste volltrunkene frischvermählte Hochzeitspaar kann plötzlich um die Ecke biegen... Mit der nötigen Besonnenheit hat man hier auch nachhaltig Spaß. Wir haben weder geheiratet, noch ein Vermögen verspielt, dafür hatten wir den ultimativen Thrill auf der mörderischsten Achterbahn, die wir bislang zu besteigen gewagt hatten. In "New York" jagte man uns durch Loopings und Abgründe durch die bunte glitzernde Nacht der Stadt, das war der Kick des Abends! Wahnsinn! Als netten Nebeneffekt hatten wir uns den Fahrpreis zuvor unten dem waghalsigen Einsatz von zwei Dollar an der Slot Machine erspielt - that's Vegas!
Bei so viel Aufregung entging uns gänzlich, dass wir uns bis weit nach Mitternacht auf dem Strip aufhielten, die Zeit verging wie im Fluge. Geplante Besuche von Shows und einem netten Dinner erfüllten sich daher nicht, aber was soll's. Der Fun Factor war immens und amerikanischer konnten wir unseren Trip wohl kaum ausgestalten. Jetzt ist es aber auch mal wieder genug. Ab Morgen warten in Costa Rica wieder frische Früchte und Natur auf uns. Auch das ist eine gute Nachricht. Wir freuen uns!

Mittwoch, 14. April 2010

Zeitreise, Fa'a Samoa und der Sauersack von Frau Hader

Kaum haben wir zuletzt unseren Beitrag ueber Fidschi veroeffentlicht, schon haben wir nunmehr bereits den Suedpazifik insgesamt verlassen und weilen gerade mitten im groesstmoeglichen Kontrast - der Megametropole Los Angeles. Direkt hier im Hostelzimmer steht ungewohnlicherweise ein Museumsreifer PC mit Internetzugang, dessen ich mich jetzt bediene, um die vergangenen Tage revue passieren zu lassen.
Samoa liegt nur 1.200 km nordwestlich von Fidschi und ist damit fuer dortige Verhaeltnisse nur einen Katzensprung entfernt. Kuerzer als unsere Anreise von Melanesien nach Polynesien konnte ein Weg jedoch selten sein, denn als wir Samoa erreichten, waren wir tatsaechlich im Gestern angekommen. Damit moechten wir allerdings ganz und gar nicht behaupten, dass Samoa gegenueber seinem verhaeltnismaessig grossen Nachbarn rueckstaendig sei, auch wenn dort alles gleich mehrere Nummern kleiner zugeht. (Auf den beiden nennenswerten Inseln 'Upolu und Savai'i gibt es insgesamt nur eine Stadt, naemlich die Hauptstadt Apia - "the town" mit ca. 35.000 Einwohnern. Der Rest ist tropischer Natur und einigen Doerfern vorbehalten.) Nein, die Reise ins Gestern ist vielmehr wortlich zu nehmen, denn wir starteten von Nadi am letzten Freitag und kamen in Samoa am Donnerstag an - die internationale Datumsgrenze macht es moeglich! Wir sassen einfach im Flugzeug und ploetzlich war wieder gestern, ohne dass wir es auch nur bemerkten. Jedem, der in seinem Leben noch keine Zeitreise gemacht haben sollte, sei aber versichert, dass dies alles ganz unspeltakular ablaeuft. Aufregend ist es dennoch, die kleinen Kuriositaeten des Reisens hoechstpersoenlich zu erfahren.
Schon als wir abends in Samoa landeten, war allueberall die Gelassenheit der Leute zu spueren, aehnlich wie dies in Fidschi der Fall war. Oberflaechlich betrachtet kann man sowieso schnell dazu verleitet werden zu behaupten, dass Fidschi und Samoa im Grunde genommen kaum voneinander verschieden seien. Wer aber noch bei der Abreise bei einem solchen Urteil bleibt, hat das Land bestimmt nicht genauer kennengelernt. Zwar lassen es Fidschianer wie Samoaner gerne etwas ruhiger angehen, so wie es die suedpazifische Gelassenheit wohl insgesamt mit sich bringt. Doch haben beide Nationen - ganz abgesehen vom sehr verschiedenen Aussehen ihrer Bewohner - ihre ganz besonderen Eigenheiten. In Samoa fasst man solche unter "Fa'a Samoa" zusammen, die samoanische Art zu leben. Dies mag in Teilen, sicher nicht aber im Kern dem fidschianischen "vaka malua" entsprechen, denn "Fa'a Samoa" umfasst stets auch das Bewusstsein einer stolzen nationalen Identitaet. Die Familie steht ueber allem und ist im grossen samoanischen Gemeinwesen verankert. So wirken die Samoaner oft etwas eigener als wir es von der mitunter miltikulturellen Gesellschaft in Fidschi kennenlernen durften. Die Fidschianer bleiben dabei fuer mich der freundlichste und offenste Menschenschlag, dem ich je begegnet bin; die Samoaner wirken teilweise ein wenig verschlossener. Hat man aber einmal den Zugang zu ihnen gefunden, dann kann man sich einem gewissen Teil des "Fa'a Samoa" kaum mehr entziehen. Ein gutes Beispiel gibt die Familie ab, in deren Pension wir gelebt haben: Ohne wenn und aber hatte sie uns und auch ihre Angestellten wie selbstverstaendlich zum allsonntaeglichen Festschmaus eingeladen, wie dies regelmaessig passiert. Das Essen aus dem Erdofen - "umu" genannt - gehoert zu den festen Familienritualen und bezieht auch die Menschen um sich herum ein. Ganz nebenbei war es dazu noch ausgesprochen koestlich! Auch hier unterscheiden sich uebrigens fischianische und samoanische Kultur im Detail; obwohl beide Nationen gerne aus dem Erdofen essen, ist der fidschianische ("lovo") in seiner Funktion anders, naemlich wieder mal "vaka malua". Dort gart das Essen ueber Stunden bei schonender Hitze, waehrend der samoanische "umu" bei grosser Hitze mit gut einer Stunde auskommt. So ist das "lovo"-Essen trotz grundsaetzlich gleicher Zutaten wesentlich zarter zu geniessen, waehrend das "umu"-Pendant mit dem kraeftigeren und wuerzigeren Geschmack aufwarten kann. Mir laueft schon wieder das Wasser im Munde zusammen...
Der kulinarische Hochgenuss blieb selbstredend nicht auf das aussergewoehnliche Festtagsessen beschraenkt, sondern umfasste vielmehr natuerlich ebenso die alltaeglichen Obstfreuden. Auch wenn wir uns an die frischen exotischen Fruechte zuvor schon recht gut gewoehnt hatten, waren sie immer wieder aufs Neue ein wahrer Hochgenuss. Unter zwei Papayas konnten wir keinen Tag durchstehen, und schon jetzt, wenige Stunden nach unserer Abreise aus Samoa, vermissen wir die zuckersuessen Gaumenfreuden der tropischen Natur. Der Markt in Apia war eine stetige und unerschoepfliche Fundgrube fuer die leckersten lokalen Produkte - sei es mit fast schon abartig suessem und aromatischem Obst, frischen, fettig gebratenen Wurzelsnacks (nicht so unser Fall) oder dem unvergleichlichen "koko Samoa", dem lokalen unbitteren Kakao, der wie Kaffe wirkt und getrunken wird. Der groesste Fang gelang uns aber wieder einmal im Fruchtbereich, denn es fiel uns etwas ins Auge, das wie eine etwas zerknautschte Durian (die in Singapur zugleich geliebte und geschasste Stinkfrucht) aussah. Auf dieses Kuriosum angesprochen entgegnete die Marktfrau, dass es sich um einen Sauersack ("sour sop") handele, also keineswegs ein stinkendes Etwas zu befuerchten sei, obwohl das Aeussere des gruenen stacheligen Klumpens nichts Gutes erahnen liess. Beim Stichwort "sour sop" oeffnete sich aber bei mir sofort das Herz und schnell auch die Gier auf die Frucht, denn ich fuehlte mich postwendend an ein nun auch schon vier Jahre zurueckliegendes Geschmackserlebnis aus den Philippinen erinnert, das just auf dieses haessliche Obst-Etwas zurueckzufuehren war. Denn der Sauersack, dessen Aussehen und Name in keinem Verhaeltnis zu seinem fabuloesen Geschmack stehen, ist der unerkannte Koenig unter den Fruechten. Hat man ihn einmal probiert, wird das haessliche Entlein schnell zum stolzen Schwan. Eine unnachahmliche Komposition aus Ananas, Litschi und einem Hauch von Pfirsich machen den cremig-anregenden Geschmack des Sauersacks aus; und es ist wahrlich nicht leicht, so etwas zu finden. Was fuer ein Glueck wir hatten!
Doch damit nicht genug; die Sauersackverkauferin entpuppte sich als ausgesprochen kommunikativ und wollte mehr ueber ihre neu gewonnenen Kunden erfahren. Als die Antwort auf ihre Frage unserer Herkunft "Germany" lautete, blitzten ihre Augen auf und sie versicherte uns stolz, dass auch sie einen deutschen Hintergrund habe. Auch wenn sie bis auf ihre recht helle Hautfarbe nicht danach aussah, so versicherte sie uns doch, dass ein Teil ihrer Familie aus Deutschland stamme und sich in der Kolonialzeit auf Samoa niedergelassen habe. Ihr Name sei Hader, berichtete sie stolz weiter. Dieses kleine Intermezzo mit der Sauersackverkaeuferin Frau Hader passt ganz gut in das Gesmatbild der Samoaner von Deutschland. Denn Obwohl die Inseln nur zwischen 1900 und 1914 eine Kolonie des damaligen Kaiserreichs waren, ist doch einiges aus jener Zeit bis heute dort verblieben. Deutsche Namen sind sowieso keine Seltenheit (z.B. heisst der Betreiber der einzigen amerikanischen Burgerbraterei Hans J. Keil), ebenso ist man hier auf die Strasseninfrastruktur und auch das Grundbuchamt (ja, das gibt es wirklich!) stolz, was ohne die Deutschen in dieser Form wohl nicht existieren wuerde. Auch fuehrten uns unsere neugierigen Recherchen nach deutschen Ueberbleibseln immer wieder zu Gedenkstaetten mit deutschen Inschriften, die weiterhin mit Hingabe gepflegt werden. Sogar das Polizeiorchester von Apia marschiert jeden Wochentag zu deutscher Marschmusik durch die Strassen - ein sehr kusioses Bild! Man kann sogar sagen, dass wir auch in dieser Hinsicht gelegntlich eine kleine Zeitreise unternommen haben, die uns ins historische Samoa zurueckfuehrte. Mehr Zeitreise geht eigentlich gar nicht, eine Zeitmaschine wuerde der Menschheit auch keine groesseren Erkenntnisse liefern.
Ungeachtet dessen moechten wir aber trotz all dieser interessanten Details nicht verschweigen, wie wunderschoen das Land Samoa als solches ist. Tropische Regenwaelder, fruchtbare Berglandschaften mit mejestaetischen Wasserfaellen (teilweise 100 Meter tief!) und weisse Sandstraende an tuerkisblauem Wasser erzeugen eine abwechslungsreiche Postkartenidylle, deren farbintensiven, kontrastreichen Zauber angemessen zu beschreiben uns die Worte fehlen. Allein der Blick von unserer Pension am Berg auf das Tiefland um Apia und den allgegenwaertigem Ozean, der von einer mit stetigem Meeresrauschen und wechselndem Vogelgezwitscher laut untermalten Stille begleitet wird, war die Einreise in dieses herrliche Land wert! Die Lebensqualitaet, die wir erfahren durften, als wir bei einer heissen Tasse koko Samoa begleitet von einer frischen uebersuessen Banane auf das Tal schauten und nichts als den launigen Lauten der Natur lauschten, ist schlicht nicht in Worte zu fassen. Wir werden uns noch lange und immer wieder gerne an solch erhabene Momente erinnern.
Diese Momentaufnahmen bestaetigte unsere kleine Inselrundfahrt an unserem letzten Tag, als wir leider erst recht spaet die Gelegenheit hatten, auch andere Teile von 'Upolu kennenzulernen. (Fuer Savai'i blieb leider gar keine Zeit.) Fuer einige Taler (eigentlich heisst die Waehrung Tala, aber wir spekulieren, dass auch dies auf die guten alten deutschen Taler zurueckzufuhren ist) mieteten wir uns ein Taxi an, das uns durch den Sueden und Osten der Hauptinsel fuehren sollte. Das tat es auch, obwohl die Fuehrung eher uns oblag. Denn wir heuerten, ohne es zu wissen, den wahrscheinlich intelektuell am wenigsten fortgeschrittenen Bewohner der ganzen Insel als Fahrer an, der trotz seiner Herkunft aus Amerikanisch-Samoa (immerhin ein US-Territorium) kaum englisch sprechen und verstehen konnte, des Kartenlesens offenbar nicht maechtig und selbst mit Haenden und Fuessen nur schwer von unseren Absichten in Kenntnis zu setzen war. So duerfen wir heute zumindest behaupten, Samoa tatsaechlich auf eigene Faust entdeckt zu haben, denn der Fahrer war eher Last denn Hilfe auf unseren Wegen durch unbekanntes Terrain. Ebenen solches stand aber unseren Eindruecken und bisherigen Beschreibungen in nichts nach, denn bereits erwaehnte spektakulaere Landschaften durchzogen von den aberwitzigsten Gruentoenen, majestaetischen Wasserfaellen und dem Spektakel von weissem Sand und kristallgleichem Wasser setzten sich unentwegt fort.
Leider riss ploetzlich die Erinnerung an die zerstoererische Allmacht der Natur eine klaffende Wunde mitten in dieses Idyll. Denn moegen auch die gesamten Schoenheiten dieses Landes der Natur geschuldet sein, so ist es immer noch sie selbst, die bestimmt, was mit all dem geschehen mag. Die Auswirkungen des letztjaehrigen (in heimatlichen Medien wenig beachteten) Tsunamis waren im Sueden von 'Upolu noch allgegenwaertig. Zerstoreung ersetzte die gewohnten Bilder bescheidener, aber stolz errichteter "fale" (traditionelle Holzhaueser), vor dem Traumstrand lagen ploetzlich bis auf das Fundament eingestuerzte Ruinen mit direkt davor errichteten offensichtlich frischen Graebern. (In Smoa werden die Toten traditionell ganz nah an ihrem zu Hause begraben.) Mehr Beweis benoetigt man nicht um sicher zu sein, dass der Mensch die Welt, in der er lebt, niemals wird beherrschen koennen; stattdessen sollte er alles dafuer tun, sie nicht weiter zu veletzen, um nicht selbst am Ende das Opfer zu sein. Hier waren die Opfer sogar "nur" diejenigen, die nicht einmal einen Eingriff vorgenommen haben. Aber was wird noch kommen? (Uebrigens war auch der staendig steigende Meeresspiegel schon in Fidschi deutlich sichtbar und sollte jeden Besucher alarmieren, nicht gegen, sondern fuer seine Umwelt zu handeln.) Trotz all der Zerstoerung und all dem Leid war es fuer uns umso troestliocher zu sehen, mit welchem Lebensmut, welcher Zuversicht und welcher Freude die Bewohner der betroffenen Gebiete schon jetzt wieder mit ihrer taeglichen Arbeit - neben dem Woederaufbau - beschaeftigt waren. Das verdient nicht nur hoechste Anerkennung, sondern zeigt auch, wie fruchtbar der Zusammenhalt der Bevoelkerung - auch als Ausdruck des Fa'a Samoa - funktioniert. Spaetestens jetzt war uns klar, dass diese besondere Natur auch mit besonderen Menschen gesegnet ist. Versoehnlich, wenn auch immer noch schockiert ob der zerstoererischen Eindruecke, kehrten wir schliesslich zu unserer Traumpension zurueck.
Leider mussten wir wenig spaeter das Land schon wieder verlassen, obwohl es einen laengeren Besuch mehr als verdient gehabt haette. Aber so geht es ja schon die meiste Zeit unserer Weltreise - die Zeit ist oft nicht auf unserer Seite. Dennoch ist der Fundus des Erlebten, welchen wir nicht mehr wieder hergeben werden, so hoch, dass wir keine Minute auf Samoa bereuen. Wie koennten wir auch! Zugleich sind wir gespannt, was uns das Kontrastprogramm im keineswegs beschaulichen Los Angeles ab morgen zu bieten hat. Bis dahin vorerst: Gute Nacht!

Donnerstag, 8. April 2010

Fidschi: vaka malua in einer (un)bekannten Welt

Die letzten Stunden unseres lang ersehnten Südseetraums in Fidschi sind nun angebrochen, doch erst jetzt haben wir erst richtig die Gelegenheit, hiervon auch zu berichten. Nicht, dass es uns an Zeit gefehlt hätte; allein sind die uns oft als selbstverständlich anmutenden Annehmlichkeiten wie Internet oder auch bloß Strom hier nicht allgegenwärtig. Daher melden wir uns, wie beim letzten Mal, einmal mehr vom Flughafen in Nadi. Das bringt immerhin auch etwas Rundes, Wohlgeordnetes in unsere Berichterstattung.
Das ist übrigens ziemlich unfidschianisch, denn hier werden die Dinge gerne genommen wie sie kommen - wenn überhaupt. Dazu ein kleines Beispiel hier vom Flughafen, von kurz vor unserem Abflug nach Kadavu. In Fidschi wurde die Nacht zuvor von Sommer- auf Winterzeit umgestellt, ergo eine Stunde zurück. Das schien aber bei weitem nicht jeder mitbekommen zu haben, inklusive der elektronischen Anzeigetafeln am Flughafen - immerhin das Drehkreuz im Südpazifik. Die Uhren taten also was sie wollten, und niemand störte sich daran. Warum auch, denn unser auf 12:40 Uhr terminierte Inlandsflug sollte nach Angaben verschiedener Offizieller am Check-in je nach dem "at eleven", "in time" oder "yes, 12:40, but be prepared to leave at twelve" abfliegen. Und nie wusste man, ob die ehemalige oder die gerade umgestellte Zeit gemeint war. Nun ja, abgeflogen sind wir dann ganz mach "Fiji Time" um 13 Uhr.
Diese kleine Anekdote aus einem großen Ganzen von ganz und gar stressfreier Lebenseinstellung lässt sich auf fidschianisch am besten mit "vaka malua" - "ganz langsam" - ausdrücken. Und ebenso war auch unser Leben auf unserer kleinen Gastinsel Galoa. Herrlich entspannend! Dagegen kam uns Suva, die Hauptstadt, die wir vorgestern und gestern besuchten, surreal groß und geschäftig vor. Zu Hause würden wir über einen Ort, der eher einer Kleinstadt ähnelt (obwohl er das größte Ballungsgebiet zwischen Neuseeland und dem amerikanischen Kontinent ist) kaum ein Wort verlieren. Hier erzeugt Suva aber einen krassen Kontrast.
Zurück nach Galoa, dem wahren Fidschi voller Ursprünglichkeit und Herzlichkeit: Elf Tage verbrachten wir auf diesem schönen Fleckchen Erde weitab von jeder sogenannten Zivilisation bei den Familien von meinen Freunden Bai und seinem Sohn Walter. Hier nun divergieren die Eindrücke von Nina und mir zum ersten Mal richtig deutlich. Denn während ich inzwischen das vierte Mal auf Galoa war und es gewissermaßen mein zweites zu Hause abseits von zu Hause ist, betrat Nina absolutes Neuland. Das gelebte vaka malua wirklich zu spüren war für sie so aufregend neu wie für mich das Normalste der Welt. Dabei ist es auch für mich immer wieder faszinierend, wie sehr man doch in den Tag hineinleben kann und am Ende doch das Gefühl hat, sich erholen zu müssen. Eine europäische Perspektive sollte hierbei lieber gmieden werden, um nicht zu verzweifeln. Wir verzweifelten auch nicht, sondern genossen stattdessen das Leben so wie es auch die Fidschianer taten. Egal ob Fischen, Schnorcheln oder einfach nur Leute treffen, Hauptsache immer schön vaka malua und vortrefflich gut gelaunt.
Abends wartet schließlich zur Belohnung für den anstrengenden Tag die wohlverdiente Schüssel Kava, das Nationalgetränk auf allen Inseln. Allen, denen es von mir noch nicht bekannt gemacht wurde, sei kurz klargestellt: Kava ist kein Alkohol, sondern eine lokale Pfefferwurzel, die getrocknet und dann zerstampft in Wasser aufgeschwemmt wird, um schließlich in gesellig-zeremonieller Runde getrunken zu werden. Über den Geschmack lässt sich streiten, doch entspannt es ungemein und berauscht bei starkem Konsum sogar ein wenig. (Das ist allerdings gleichermaßen harmlos wie auch legal.) Kurz: mit Kava wird alles noch etwas mehr vaka malua...
Das alles muss man sicher selbst erlebt haben, um es wirklich in den sich darstellenden Dimensionen erfassen zu können. Häufig konnte ich allein schon an Ninas Augen erkennen, wie faszinierend dies alles für sie war. Man kann sich aber zugleich, wie ich, recht schnell daran gewöhnen. Hoffentlich finde ich bis zu unserer Rückkehr nach Deutschland wieder zu einem Mindestmaß an den dort gefragten Tugenden zurück...
Neues gab es aber auch für mich zu entdecken. Denn erstmalig war ich nicht im fidschianischen Winter, sondern im Herbst auf der Insel. Das bedeutet, dass es neben den Alljahresdauerbrennern wie Banane und Papaya noch einige andere Früchte zu genießen gibt wie Orangen, Mandarinen und die unbeschreiblich leckeren Mangos. Auch Brotfrucht als Alternative zu Kartoffeln und anderem Wurzelgemüse macht sich wirklich gut. Wie mag es hier bloß erst im Sommer aussehen?
Das kaum zu übertreffende Obst war aber noch nicht alles an neuen Erfahrungen, denn waren just über die Osterfeiertage auf Galoa. Im Vorfeld waren wir extrem gespannt, wie ein solches Fest in einem so christlichen Land wie Fidschi begangen wird. Die Antwort - und ich bin mir nicht sicher, ob ich darüber überrascht sein sollte - lautet: vaka malua. Sonntags waren wir zwar in der Kirche, aber das gehört eh zu jedem fidschianischen Sonntag. Karfreitag geschah dagegen nicht viel, insgesamt freute man sich nur über ein paar freie Tage. (Die Frage "Wovon?" sollte man lieber für sich behalten.) Eine ungewollte, dafür aber für uns umso witzigere Anekdote bot die zweistündige Ostermesse immehin doch: Unter den stimmgewaltigen Kirchenliedern erklang plötzlich auch ein vollmundiges "sa tucake" ("er ist auferstanden") - auf die Melodie der deutschen Nationalhymne. Außer uns Deutschen war dies aber niemandem bewusst, aber wir hatten unseren Spaß und konnten diese uns bislang unbekannten Strophen des Deutschlandliedes schnell mitsingen. Fast entging uns vor lauter Vergnügen, dass das nächste Lied auf die Melodie eines uns bekannten Weihnachtsliedes gesungen wurde. Hier ist halt alles irgendwie etwas anders.
Es ist wrklich schade, dass wir diese wunderbare Welt nun wieder verlassen müssen. Wir werden unsere Freunde vermissen. Weniger vermissen werden wir dagegen die penetranten Moskitos, die deutlich zahlreicher sind als im Winter. Nina wurde von ihnen besonders gemocht. Ich frage mich wirklich, wie diese niederen Kreaturen einen solch feinsinnigen Geschmack zu entwickeln vermögen. Wir wünschen ihnen jedenfalls als einzigen Teil von Fidschi nichts Gutes und hoffen, bald weniger geplagt zu werden. Vielleicht sieht es (nicht nur?) diesbezüglich in Samoa etwas anders aus. Unser Flug startet gleich (jedenfalls früher oder später, vaka malua), wir werden sehen und berichten. Bis dahin: Moce, sota tale!