Mittwoch, 10. März 2010

Australien: Outback und Uluru oder das Land der Fliegenplage

Alice Springs, die Stadt mitten im großen Nirgendwo des australischen Outbacks, hat nicht viel zu bieten, diente aber auch nur als Ausgangspunkt für unser dreitägiges "richtiges" Outback-Anenteuer. Nur knapp 500 km weiter westlich befindet sich nämlich eines DER Symbole der südlichen Hemisphäre: Uluru, bei uns besser bekannt als Ayers Rock. Aus Respekt vor dieser heilien Stätte der Anangu, einem Aboriginiestamm, sollen hier die traditionellen Bezeichnungen
verwendet werden.
Um Uluru zu sehen, nahmen wir einige Strapazen auf uns auf; von manchen wussten wir vorher, manche überraschten uns doch sehr. Zunächst sind drei Tage Camping im Outback ohne gewohnte sanitäre Einrichtungen mit Schlafplätzen unter freiem Himmel in einem von nicht
immer freundlich gesinnten Dingos (eine Art Buschwolfshund) beherrschten Savannenland sicher nicht jedermanns Sache. Diese Erfahrung möchten wir aber auch im Nachhinein keinesfalls missen. Schon die Lagerfeuertmosphäre mit gleichgesinnten und mit interessanten Reisegeschichten ausgestatteten Backpackern hatte ihren Charme. Aber vor allem der ungetrübte Blick vor dem Einschlafen auf einen glasklaren Sternenhimmel mit der Milchstraße in ihrer vollen Pracht ließ das Fehlen jeglicher Annehmlichkeiten mit einem Wimpernschlag vergessen. Da machte es auch nichts mehr, dass tagsüber die Sonne bei über 30 Grad knallte, es aber nachts durchaus mehr als 15 Grad kälter werden konnte.
Die große unbekannte Strapaze hingegen mag für den Außenstehenden zunächst wie eine Lappalie aussehen, doch nach eigener konsistenter Erfahrung ist sie der entscheidende Grund, warum wir froh sind, jetzt wieder aus dieser Halbwüste entkommen zu sein: Fliegen! Und wir
sprechen hier nicht von den uns bekannten Stubenfliegen, sondern von zwar phänotypisch ähnlichen, dafür aber viel penetranteren und widerstandsfähigeren Plagegeistern. Kaum hat man sich versehen, krabbeln die Biester einem auch schon durch jede zugängliche Körperöffnung. Wind und schnelle Bewegungen können ihnen nichts anhaben. Und wenn schon ein Exemplar geeignet ist, die Nerven seines Opfers in Windeseile zu drangsalieren, wie soll es bloß mit hunderten Fliegen um eine Person herum aussehen? Wer das wirklich wissen möchte,
muss nach Uluru kommen, denn hier wird der Alptraum zur Realität. Ohne - zugegebenermaßen ziemlich lächerlich aussehende - Hüte mit imkerartigem Gesichtsschutznetz konnten wir uns kaum im Freien aufhalten. Nur bei Dunkelheit scheint sich die Plage eine Auszeit zu nehmen. Unerträglich!
Angesichts der Erhabenheit von Uluru und der ganzen Region ist es umso trauriger, dass die Fliegen unsere eindringlichste Erfahrung waren. Die Heiligtümer der Anangu muss man trotzdem gesehen haben, denn sie sind nicht nur prachtvoll anzusehen, sondern auch von einzigartiger geologischer und ebenso mythologischer Bedeutung. Ohne den ohnehin schon geduldigen Leser mit wissenschaftlichen Details langweilen zu wollen, die qualifiziertere Personen sowieso besser darlegen können, sei nur Folgendes erwähnt:
Die Tatsache, dass mitten in der flachen Einöde von rotem Sand und vertrocknetem Buschwerk plötzlich gewaltige, wohlmodellierte, freistehende Felsformationen mehrere hundert Meter aus der Erde ragen, bewirkt schon für das ungeschulte Auge eine mitunter magische Faszination. Dies gilt gleichermaßen für den etwas entfernten Kings Canyon, der mit seinem grünen "Garten Eden" einen oasenartigen Kern vebirgt. Umsere größte Beachtung verdienten trotz dieser Naturfaszination die mythenumwobenden Felsen von Uluru und dem nahe erreichbaren Kata Tjuta, welches aus irgendeinem kolonialchauvinistischen Grund auch "The Olgas" genannt wird.
Die beiden letzteren Stätten sind noch heute fester Bestandteil des Lebens der Anangu, über deren Kultur wir beispielhaft für die übrigen ca. 250 verbliebenen Agoriginie-Völker einiges lernen durften.
Als bittere Randbemerkung sei erwähnt, dass heue nur noch um die zehn Prozent der ursprünglichen indigenen Volksstämme in Australien existieren. Der Rest wurde Opfer des Expansions- und Eroberungsdranges europäischer Siedler. Man kann nicht ganz ungewollt erkennen, dass uns dieser Ausflug nicht nur eine ganz neue Sicht auf das riesige Australien geliefert, sondern auch zum Nachdenken angeregt hat. Das Trauma der Aboriginies ist bis
heute nicht überwunden, und ignorante Touristen, die trotz ausdrücklicher und multilingualer Bitte der Anangu, Uluru aus Respekt vor ihrem Heiligtum nicht zu besteigen, den Fels dennoch waghalsig hinaufklettern, tragen ihren unrühmlichen Teil dazu bei. Selbst die für uns als furchtbar empfundene Fliegenplage, aufgrund derer wir auch wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr wiederkommen werden, rückt angesichts anhaltender interkultureller Respektlosigkeiten in den Hintergrund.
Zum Schluss nun soll der mahnende Zeigefinger behutsam wieder eingefahren werden. Neue Abenteuer warten schon. Nach unserer heutigen Übergangsnacht in Alice Springs fahren wir morgen mit dem Zug (!), dem sogenannten "Ghan", für ca. 24 Stunden durchs Nichts nach Adelaide und von dort aus weiter mit dem Bus nach Melbourne.

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